Micro Wohnung

Experimentelles Wohnen - die Microwohnung

von Robert Heimhuber
27.04.2020

faz.net informiert: Für Architektur-Professorin Elli Mosayebi könnte es der Grundriss der Zukunft sein: Ihr Projekt an der Schweizer Elitehochschule ETH erforscht, wie es sich auf engem Raum mit beweglichen Wänden und Modulen lebt.

Zürich-Hönggerberg. Hoch über der Innenstadt liegt der Campus der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH).

Und ganz oben, auf dem Gebäude des Departments Architektur, thront eine schwarze Kiste. An deren Fassade verkünden rote Leuchtbuchstaben weithin sichtbar „No Vacancy“ – besetzt, oder auch: kein Zimmer frei.

Tatsächlich wird hier oben in der Kiste auf dem Flachdach über den Büros, Seminarräumen und Hörsälen der Architekturfakultät gewohnt. Wer dort einzieht, bezahlt keine Miete und bekommt den Panoramaausblick über Zürich gratis dazu. Allerdings müssen die Bewohner schon nach einer Woche wieder ausziehen. Dann haben sie genug Erfahrungen gesammelt und Daten erzeugt, dann sind die nächsten dran – als Probanden für die ETH-Architekturprofessorin Elli Mosayebi und ihr Team.

In der schwarz verkleideten Holzbox hat die Architektin zu Forschungszwecken ein 53 Quadratmeter großes Ein-Zimmer-Apartment mit Küche und Bad eingerichtet. Als Prototyp einer „performativen Kleinwohnung“, wie Mosayebi sie nennt, ein Vorführmodell mit mehreren beweglichen Elementen. Die Bewohner sollen den Raum an ihre Bedürfnisse anpassen können – mit einer großen drehbaren Wandscheibe im Zentrum, einem drehbaren Schrank am Eingang und zwei Leuchten mit langen Schwenkarmen.

Ein Jahr lang testen jede Woche jeweils ein oder zwei Personen, wie es sich lebt, wenn nicht alle Wände feststehen im Zuhause. Im Moment steht das Apartment zwar leer – an der ETH wird wegen des Ausbruchs des Coronavirus lediglich ein Notbetrieb aufrechterhalten. Doch sobald an der Universität wieder normal gearbeitet werden kann, werden auch wieder Bewohner in die experimentelle Wohnung einziehen.

Eine kleine Metalltreppe führt hoch zur Tür des Apartments, ein handgeschriebener Zettel weist darauf hin, dass Schuhe draußen bleiben müssen. Drinnen ist es still. Als Erstes fällt auf, wie groß die Wohnung wirkt: ein offener, langgestreckter Raum, an den beiden kurzen Seiten je ein bodentiefes Fenster. Bad und Küche liegen jeweils an einer Längsseite. Alles ist weiß getüncht, auf dem Fußboden liegt dunkelrotes Linoleum. Ein wenig unbewohnt wirkt die Modellwohnung, es gibt nur wenige Möbelstücke, einen Tisch mit zwei Ulmer Hockern im Wohnbereich, in der Küche ein weiterer Tisch mit zwei Stühlen.

Elli Mosayebi tritt an die große Wandscheibe im Zentrum der Wohnung und schiebt sie sachte an. Mühelos dreht sich die Scheibe um ihre eigene Achse. Der eben noch freie Blick quer durch den Raum vom Tisch hinüber zum Bett ist nun verdeckt, dafür wird die Küche sichtbar. Noch eine halbe Drehung weiter, und schon sieht der Raum wieder anders aus. Als Nächstes führt die Architektin den Schrank neben dem Eingang vor. Er lässt sich um 180 Grad wenden: Entweder steht er flach vor der Wand, ragt in den Raum hinein oder verdeckt die Tür. Im Zusammenspiel mit der Drehwand lässt sich der Raum so unterschiedlich konfigurieren, mal eher offen, mal eher abgeschlossen. Wenn Besuch da ist, verschwindet das Bett aus dem Blickfeld, wenn das Chaos in der Küche nervt, verdeckt der Schrank es gnädig.

Vor den beiden Fenstern gibt es große Podeste, auf dem einen liegt ein Teppich mit Sitzkissen, auf dem anderen eine Matratze. Sitzen und liegen passieren hier wie in vielen nichtwestlichen Kulturen eher bodennah. Elli Mosayebi schlägt den Teppich ein Stück um, darunter kommen zwei Klappen zum Vorschein, zudem lassen sich an der Front der Podeste zwei lange Schubladen herausziehen. Im doppelten Boden hat die Architektin viel Stauraum versteckt.

Die Idee: Gerade in kleinen Wohnungen leben oft Menschen, die relativ häufig umziehen und sich nicht mit zu vielen Dingen belasten möchten. Die Annahme: Wenn das Zuhause eine gewisse Grundausstattung mitbringt, kommt man mit weniger eigenen Möbelstücken aus.

Was nach Ende des Testjahres mit dem Versuchshaus und seiner Einrichtung passiert, steht zwar noch nicht fest. Aber die ersten Ergebnisse nutzt Mosayebi jetzt schon. Mit ihrem Architekturbüro Edelaar Mosayebi Inderbitzin plant sie gerade für einen privaten Investor ein Apartmenthaus in der Züricher Innenstadt. Es soll hauptsächlich Kleinwohnungen unterschiedlicher Größe umfassen, die alle mit beweglichen Elementen ausgestattet sein werden. Wie das Mock-up ein Holztafelbau, der aus Massivholzplatten errichtet werden wird.

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